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Die Erbenheimer Warte

Seit mehr als 500 Jahren weithin sichtbar heute schneeweiß verputzte Rundturm mit spitzem Steindach der

Erbenheimer Warte.

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1497 errichtet, erinnert dieses älteste Kasteler Bauwerk und Wahrzeichen an die Vergangenheit der Brückenkopfgemeinde.

Die Kasteler Gemarkung war im 14. Jahrhundert mit Gräben und Landwehren umgeben, die in den Jahren 1446 bis 1485 noch verstärkt wurden. Auf Initiative des Mainzer Erzbischof und Kurfürst Berthold von Henneberg wurde 1497 wegen der vielen Räubereien fremder Horden so genannte Warten errichten, die zur rechtzeitigen Warnung dienten. 

Vier Warttürme waren es einmal insgesamt gewesen, einer davon steht heute noch im Bereich der Siedlung Fort Biehler an der Boelckestraße. Die so genannte "Erbenheimer Warte" einem Rundturm mit spitzem Steindach und Pechnasen. 

 

 

Die Geschichte

Aus Wall und Gräben bestehend, verbunden mit Gebück oder Palisaden, mit

besonderen Eingängen versehen, vielfach mit Türmen ausgestattet für Wächter,

wirkten die Landwehren und Warttürme als Hindernis für Angreifer und für den

flüchtigen Eindringling, hielten den Feind so lange auf, bis die Bewohner mit

ihrer Habe in sicherer Obhut waren und die Verteidiger, die Landwehr, sich

gesammelt hatten.

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Im Mittelalter wurde Kastel zum Schutz gegen Raubritter und Wegelagerer vom

Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg im Jahre 1484 mit einer Landwehr

umgeben. Vom Salbach in Amöneburg führten die Wallgräben um die Kasteler,

Kostheimer und Hochheimer Gemarkung herum und endeten am Main zwischen

Hochheim und Flörsheim. Dort, wo eine Hauptstraße die Landwehr durchschnitt,

entstanden Wachttürme, die sogenannten „Warten“. Bis heute konnte

der „Wartturm“ an der Boelckestraße erhalten werden.

Ursprünglich bildeten vier Türme die Landwehr. Vom Rhein kommend, befand

sich die erste Warte im Gebiet des heutigen Bahnhofs Wiesbaden-Ost gegenüber

auf dem Gelände der Firma Kalle-Albert. Man nannte sie Mosbacher- oder

Hambusch-Warte. Es folgte die 1497 erbaute Erbenheimer Warte. Diese befand

sich zwar auf Kasteler Boden, lag aber geografisch näher an Erbenheim.

Die dritte Warte war die „Hochheimer Warte“ an der Straße zwischen Hochheim

und Nordenstadt, und zwar dort, wo sie die Alte Römerstraße, die heutige

Steinern Straße, schnitt.

Der letzte Turm stand unweit zur Straßenmühle. War Gefahr im Anmarsch,

alarmierten die Turmwächter der Flörsheimer Warte mit Signalen, Fahnen,

Sturmglocken und Trompeten. Tagsüber nutzten sie zusätzliche Rauchsignale,

nachts Feuer, sodass Bauern, die der Feldarbeit nachgingen, und Händler, die sich auf den Straßen befanden, die Möglichkeit bekamen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Türme waren miteinander im Blickkontakt, daher konnten sie Nachrichten von Turm zu Turm weitergeben. Die Steine für diese Türme wurden damals aus dem ehemaligen Königsstuhl, nahe des Hofs Mechtildshausen, gebrochen.

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Die Turmwächter saßen in den oberen Stockwerken des Turmes. Zu diesen führte eine Leiter, die sich an ein Podest lehnte, dessen Kragenstein ursprünglich eine Brettauflage besaß. Zog man die Leiter hoch, befand man sich sicher hinter einer starken Eichentür und den einen Meter mächtigen Mauern.

Zuvor wurden schließlich noch die Bewohner mit einem Signal vor den Eindringlingen gewarnt, so dass genügend Zeit war mit "Hab und Gut" in das befestigte "Castel" zu flüchten.

Ursprünglich besaß der Turm auch einen Kamin. Die Türmer hatten so die Möglichkeit, die Turmstube zu heizen, was den Aufenthalt in den kalten Gemäuern, vor allem im Winter, einigermaßen erträglich machte. Die heutige Tür im Erdgeschoss wurde erst viel später gebrochen. Das Mainzer Rad auf einem Wappenschild, auf rotem Sandstein, erinnert noch heute an den Bauherrn.

                                                                            Die Erbenheimer Warte ist der einzige der vier Türme, der auf Wiesbadener 

                                                                            Gemarkung noch im Original erhalten ist. 

 

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Im Wandel der Zeit

Er ist das älteste Bauwerk Kastels und das Wahrzeichen der Siedlung: Der 35 Meter hohe Rundturm an der Boelkestraße. Seit dem Siedlungsbau in den dreißiger Jahren war der hohle Wartturm verschlossen.

Ab 1944 wurde er als Luftschutzbunker genutzt, später trockneten hier die Feuerwehrschläuche.
Nur Eulen, Tauben und Raben bewohnten das verwitterte Gemäuer. 
Anfang der 1960er Jahre renovierte die Stadt Mainz den Turm und entfernte dabei den Schornstein sowie das alte Henneberg-Wappen. Danach verfiel der Turm erneut, Mitte der 80er Jahre waren Risse zu sehen. Um die Schäden
zu sichten und die Risse zu füllen, musste der Turm komplett eingerüstet werden. Nach der
Renovierung wurde er weiß gestrichen. Für eine Folge der Fernsehkrimiserie
„Schwarz greift ein“ (ausgestrahlt 1994 bis 1999, Sat1) rückte der Turm

erneut ins Zentrum des Interesses. Im und um den Turm sollte nach einem

authentischen Fall aus Kastel gedreht werden. Für die Krimifolge ließen die

Filmleute den Turm innen reinigen. Die Popularität des Siedlungswahrzeichens
stieg durch die beliebte Serie beträchtlich und die Siedler sahen ihre Chance.

Sie schlugen der Inhaberin des Turms, der Stadt Mainz vor, das historisch

bedeutsame Wahrzeichen zu sanieren und für Besucher zu öffnen.
Auch das für den Denkmalschutz des Turmes  zuständige Bauamt in Wiesbaden

banden die Siedler ein. Nach langen Diskussionen mit der Bürgerinitiative

erteilte die Stadt Wiesbaden am 15. Juli 1997 die Baugenehmigung für den
Treppenausbau im Turm.
Die Bürgerinitiative und die aus ihr hervorgegangenen
„Freunde der Erbenheimer Warte“
hatten zwei Jahre Arbeit, geleistet überwiegend an den Wochenenden, vor sich.

Fünf, aus Holz gezimmerte Etagen, samt Treppenhaus entstanden.

Statikberechnung und Bauzeichnung stellte die Firma Hess-Holzhandel
kostenfrei sowie das Holz zum Selbstkostenpreis zur Verfügung.
Am 3. Juli 1999 kamen sechzig Menschen, um den neuen alten Turm gebührend

zu feiern.


Die aktivsten Männer und Frauen beim Innenausbau waren:

Jürgen Obermeyer, Florian Obermayer, Edith Obermayer, Franz Fritz, 

Wolfgang Nikoley, Ronny Maritzen und Michael Papaczek.


Ein feuerverzinktes Geländer an der ehemaligen Eingangstür auf der dritten Ebene – der Turm war einst nur über eine Leiter und diese Tür begehbar – spendete und schmiedete Thomas Blöcher. Alte und neue Bilder, die das Innere des Turms verschönern, stellte Hermann Leicht zur Verfügung.

Der geschmiedete Türklopfer an der Turmtür ist eine Spende von Gerhard Ullmann aus Erbenheim.


2006 war das Dach leider erneut undicht. Wieder musste ein Gerüst gestellt, die Risse abgedichtet und erneut gestrichen werden.

Die Gesellschaft für Heimatgeschichte Kastel brachte ein Henneberg-Wappen an.
Die „Freunde der Erbenheimer Warte“ boten Rundgänge im Turm an, organisierten „Kunst im Turm“, und zeigen dabei alte Bilder vom letzten Zeitzeugen einer fünfhundertjährigen Geschichte.

Rund 1.000 Besucher waren es jährlich, von Wandervereinen, Radfahrern, Schulen bis Kindergärten, die sich den Turm
anschauten. Auch ein Kinderbuch, in dem der Turm eine wichtige Rolle spielt, wurde 2006 veröffentlicht.
Autorin Karin Nuss, aufgewachsen in der Siedlung am Fort Biehler und mit dem Turm und seiner Geschichte bestens vertraut, schrieb das Märchen „Eulalias Abenteuer im Turm“.

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Nun schon im sechsten Jahr ist die Erbenheimer Warte für die Öffentlichkeit gesperrt. Zu schwerwiegend sind die erneuten Schäden an dem historischen Turm aus dem Spätmittelalter. Seit jener Zeit kämpft man mit an Zahl und Tiefe zunehmenden Rissen in der spitzen Turmhaube aus Ziegelsteinen. Teilweise ist das Mauerwerk so porös, dass das Turmdach zusätzlich von innen abgestützt werden muss. Manche Steine lösten sich bereits auf.  Das Sanierungskonzept sieht einen Rückbau des Dachkegels bis zum Schaft und einen Wiederaufbau mit neuen Ziegeln vor. 

Die Sanierungsarbeiten sind noch im Gange und eine Fertigstellung der Arbeiten ist noch nicht absehbar.

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Quellen:  museum-castellum.de / Artikel Wiesbadener Tagblatt von Herbert Fostel /  Fotos Sascha Kopp & Rudolf Stricker / Fort Biehler Geschichte einer Siedlung von Ronny Maritzen, Erna und Hermann Leicht
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