
Siedlung Fort Biehler


2018 gibt es die Siedlung 85 Jahre. Vieles
hat sich geändert. Längst nicht alles zum
Besseren. Aber wir „auf dem Berg“ haben
etwas ganz Besonderes, das wir weiter
bewahren sollten, ein lebendiges Miteinander.
Und ich bin sicher nicht der einzige, der
bei der Siedlung Fort Biehler hin und wieder
an ein kleines gallisches Dorf, von befestigten
Römerlagern umgeben, denkt.
Jedenfalls sage ich mit Stolz, und auch das
habe ich schon mal so ähnlich gehört:
Ich bin ein Fort Biehleraner!
R.Maritzen
Die Siedlung "Fort Biehler"
Oben auf dem Berg in der Mitte von Nirgendwo – aber in zehn Minuten ist man in Wiesbaden oder in Mainz. Und, wenn man glatt durchkommt, sind es nach Frankfurt oder zum Flughafen zwanzig bis dreißig Minuten Fahrtzeit. Perfekte Lage !
Die Siedlung auf dem Petersberg gleich hinter dem Wartturm wurde nach der 1883 gebauten Festung benannt, aus deren Steinen sie entstand und deren Reste heute von Pflanzen überwuchert im Wald hinter der Siedlung zu finden sind. Mit Abzug der französische Truppen am Ende des I. Weltkrieges 1927, begann die Schleifung der Anlage gemäß den Regelungen des Versailler Vertrags, jedoch blieben wesentliche Teile erhalten. 1932 bis 1933 entstanden neben dem Fort entlang der Boelckestrasse bis zum Wartturm zwanzig Doppel-Siedlungshäuser. Das Baumaterial stammte überwiegend aus dem Fort, dass jedoch auch nach diesen Abbrucharbeiten noch als militärische Anlage sichtbar war und genutzt wurde.
1932 Die Siedlung „Fort Biehler“ wird gebaut
1932 wurde aufgrund der wachsenden Wohnungsnot in der Spätphase der Weimarer Republik ein Gesetz zum Bau von Stadtrandsiedlungen verabschiedet. Wie in vielen Städten begann auch in Mainz die Planung solcher Siedlungsprojekte.
Der Mainzer Bürgermeister Maurer stellte in einem Aufsatz am 2. April 1932 im „Mainzer Anzeiger“ unter der Überschrift „Stadtrandsiedlung in Mainz“ das Vorhaben der Stadt vor. Von hundert „Erwerbslosensiedlerstellen“ sollten sechzig auf dem Gelände des Großbergs in der Gemarkung Mainz-Weisenau und vierzig auf dem Gelände am Fort Biehler an der Erbenheimer Straße in der Gemarkung Mainz-Kastel entstehen. Unter der Frage „Was wird dem einzelnen Siedler geboten“ schrieb Maurer, „Die Häuser sollen als Doppelhäuser in zwei Typen in massiver Bauweise zur Ausführung kommen.
Die Typisierung ist im Interesse der Verbilligung nötig und auch deshalb, weil die Ausführung, die im Wesentlichen durch die Siedler selbst erfolgen soll, dadurch vereinfacht wird.“
Die Stadt hatte bereits die Größe der Häuser festgelegt, „Bei der Siedlung am Fort Biehler erhält jedes Haus 43,18 qm Wohnfläche, 40,54 qm Keller, 6,00 qm Kleinviehstall und 69,33 qm Arbeits- und Bodenraum, zusammen also 159,05 qm nutzbare Fläche.“ Zur Wasser- und Stromversorgung vermerkt der Bürgermeister: „Beide Siedlungen werden
an das Wassernetz so angeschlossen, dass die Wasserzapfstellen innerhalb des Hauses eingerichtet werden. Wenn irgend möglich, wird sofort auch der Anschluss an die elektrische Beleuchtung durchgeführt. Auf den Anschluss an die Gasversorgung und an die Kanalisation muss selbstverständlich verzichtet werden. Der Verzicht auf die Kanalisation
bedeutet insofern kaum ein Opfer, als die im Haushalt
anfallenden Abwässer und Fäkalien für den Garten
gebraucht werden. “Das Echo auf den Aufsatz war groß,
Die Teilnahme am Bauvorhaben unter der Trägerschaft
der Stadt Mainz war begehrt. Die Zahl der arbeitslosen
Arbeiter und Angestellten, die mit ihren Familien in
äußerst beengten Verhältnissen wohnen mussten oder
von Obdachlosigkeit bedroht waren, nahm täglich zu.
Nun hatten sie Aussicht, zunächst ohne finanziellen
Beitrag und mit eigener Muskelhypothek, zu einem
Haus mit Garten zu kommen.
Am 2. Juli 1932 erhielten einige Bewerber für
den Siedlungsbau ein Schreiben der Stadtverwaltung,
dass die Anwartschaft auf eine Siedlerstelle am
Fort Biehler bestätigte. Bereits am 6. Juli 1932,
einem Mittwoch, begannen die Arbeiten am Fort Biehler.
Die Bewerber hatten sich an diesen Tag 10.30 Uhr im Büro, dass auf dem Baugelände eingerichtet wurde, zu melden.
Einige Notstandsarbeiter stellte die Stadt für den Bau zur Verfügung. Die Hauptarbeit sollten die Siedler jedoch in Eigenleistung bewältigen.
Bereits in seinem Artikel vom 2. April 1932
führte Bürgermeister Maurer auf, was die
Stadt von den Siedlern erwartete. „Erstens
müssen sie (die Siedler – Anm. Red.) in der
Lage sein, die bei der Herstellung
der Siedlerstellen erforderlichen Arbeiten
zu leisten und zweitens ist es unbedingt
erforderlich, dass sowohl der Siedler
wie auch seine Frau und Kinder Lust und
Liebe mitbringen und die Fähigkeiten
und Kenntnisse entweder bereits besitzen
oder sich mit gutem Willen möglichst
schnell anzueignen versuchen, die zur rationellen Ausnützung der zur Verfügung gestellten Bodenfläche nötig sind.“

Da Baufahrzeuge nicht zur Verfügung standen, schleppten Siedler und Arbeiter die Steine auf Loren und zu Fuß zum Bauplatz.


Alle Erd-, Maurer- und Dachdeckerarbeiten werden von den Siedlern in Gemeinschaftsarbeit ausgeführt. Die Stadt Mainz hat nur Vorarbeiter zur Unterweisung gestellt“, heißt es in einem Artikel zum Beginn der Bauarbeiten.
Um die Kosten niedrig zu halten, hatte die Stadt beschlossen, die Steine aus dem nahe gelegenen Fort Biehler zu verwenden. Dafür wurden die Reste der Festung gesprengt. Die Steine vom Fort putzten die Siedler mit primitivem Werkzeug. Anschließend transportierten sie das Baumaterial von der Abrissstelle zur jeweiligen Baustelle. Diesen physischen Belastungen war mancher Bewerber nicht gewachsen. Auch der psychische Druck auf die Familien war enorm, mussten doch alle mit anpacken, um die Vorgabe der Stadt, die Häuser so kostengünstig und schnell wie möglich zu bauen, zu erfüllen. Nicht wenige gaben auf. Neue Siedlerfamilien rückten nach und bauten weiter.
Dabei baute nicht jede Siedlerfamilie ihr eigenes Haus, sondern alle beteiligten sich bis die Rohbauten standen an allen Häusern. Erst danach wurden sie unter den Siedlern verlost. Als die ersten Siedler und Arbeiter der Firma Dyckerhoff, die ebenfalls dort baute, in die Stadtrandsiedlung
zogen, gab es weder Infrastruktur noch Strom
und Abwasserversorgung. Der Inhalt der
Trockentoilette, des sogenannten
Plumpsklos, diente als Gartendung. Bevor im
Februar 1934 Stromleitungen, übrigens direkt
durch die Häuser, verlegt wurden, halfen sich
die Familien mit Petroleumlampen aus. Die
Münzzähler, mit 10 Pfennigstücken gefüttert,
leerte die Stadt alle zwei bis drei Monate.
Im Dunkeln saß, wer keine Pfennigstücke zur
Hand hatte. Auto oder Bus kannte man in den
ersten Jahren nicht. Der weite Weg nach Kastel
musste zu Fuß zurückgelegt werden.

Insgesamt 20 Doppelhäuser entstanden in anderthalb Jahren
Bauzeit 1932/1933 entlang der Boelckestrasse bis zum
Wartturm. Darunter waren drei Doppelhäuser, die die
Firma Dyckerhoff am Fort Biehler Nummer 2 bis 12 für ihre
Arbeiter baute. Als Versuch versah die Firma die Häuser
mit Zementdächern. Nach wenigen Jahren bereits wurden
diese Dächer undicht und mussten ersetzt werden.
Die Dyckerhoff -Häuser waren zwischen Frühjahr und
November 1933 bezugsfertig.

Land wird in einen Garten verwandelt: Die arbeitslosen Siedler waren auf Obst und Gemüse aus ihren Gärten angewiesen.

Werkzeuge, eine erste Bepflanzung und sogar Kleintiere stellte die Stadt Mainz gegen monatliche Abbezahlung.
1935/36 Endlich ein Mietvertrag
Im April 1935 wurden die Mietverträge mit der Stadt Mainz geschlossen, die auch die Bürgschaft für die Siedlung übernahm. Laut Anordnung durfte an den Häusern nichts verändert werden. Ab und zu kamen Beauftragte der Stadt, um nach Ordnung und Sauberkeit zu sehen. Beanstandungen erhielten die Siedler schriftlich.
Nicht jedes Haus stand unter einem guten Stern. 1936 brannte das im letzten Teil der Siedlung stehende Haus Nummer 279 von Peter Beaury bis auf die Grundmauern nieder. Die Siedler versuchten, das Feuer mit Jauche zu löschen denn aufgrund des schwachen Wasserdrucks konnten sie Wasser nicht
verwenden. Auch die Feuerwehren von Erbenheim und K